RÜCKBLICK / AUSBLICK ZUM QUARTALSENDE Q II / 2022

Die vielzitierte „Zeitenwendenrede“ von Bundeskanzler Scholz am 27.02.2022 gewinnt ob der inzwischen erfolgten Wiederbelebung der einst „hirntoten Nato“ und den sich im Zuge des russischen Überfalls auf den einstigen Bruderstaat Ukraine immer klarer abzeichnenden Veränderungen im Hinblick z. B. auf Energie- und Lebensmittelversorgung, die Verquickung von Handelsströmen und die Globalisierung der letzten Jahrzehnte immer klarere Konturen. Insgesamt ist die Stimmung bei den Konsumenten und an den Kapitalmärkten dementsprechend noch fragil. 

An den Aktienbörsen fällt die Bilanz zum ersten Halbjahr vor dem Hintergrund von Rezessions- und Inflationsängsten extrem schwach aus und so sind Indexrückgänge zwischen 20 % – 30 % nicht die Ausnahme, sondern eher die Regel. Die geldpolitischen Entscheide großer Zentralbanken sorgten für einen weiteren Ausverkauf. Insbesondere auch die überraschende Zinserhöhung in der Schweiz machte deutlich, dass die Notenbanken im Kampf gegen die Inflation gezwungen sind, schnell und aggressiv auf die monetäre Bremse zu treten, und damit das Risiko einer weltweiten Rezession eingehen müssen. Selbst die bisher eher zögerliche EZB hat nun die bisherige Argumentation über Bord geworfen und hat zumindest verbal das Ende des billigen Geldes eingeläutet. Wie das Gremium um Frau Lagarde den zurückgekehrten Zinsspread innerhalb der Euroschuldnerländer managen und wegheadgen möchte, werden wir mit gespannter Erwartungshaltung bei einer ordentlichen Portion Misstrauen beobachten.

Trotz dieser Melange aus säbelrasselndem Kriegsgeschrei, einer Rückkehr des weltweiten Wettrüstens und neuen Zementierens totgeglaubter Denkmuster zwischen Ost- und Westblockstaaten, einer aufflammenden Inflation in Verbindung mit Rezessionsanzeichen und der drohenden Coronawellen sollte die Investitionsflinte noch nicht vorschnell ins Korn geworfen werden. Rückblickend war es in den zurückliegenden Korrekturphasen immer so, dass wenn die Nacht gefühlt am dunkelsten ist, ist der Tag nicht mehr allzu fern. 

Positive Wirtschaftssignale kommen derweil aus China, wo sich die Stimmung in den großen staatlichen Unternehmen nach dem Ende des Corona-Lockdowns in Shanghai und dem Auslaufen von Pandemie-Auflagen in anderen Regionen wieder erkennbar verbesserte. 

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Auffällig ist auch die Zunahme an angekündigten und durchgeführten Aktienrückkäufen seitens der Aktiengesellschaften sowie eine erkennbare Zunahme an Aktienkäufen durch Entscheider und Unternehmenslenker – also die sogenannten Insiderkäufe. Dies ist erfahrungsgemäß ein guter Indikator, wenn es um die Bewertungsansätze von Unternehmensteilen geht und die Steuerfrauen und- männer auf den Kommandobrücken zu aktuellen Kursen aus dem Privatvermögen zugreifen.

Außerdem ist ab Anfang August auch zu erwarten, dass mit dem politisch angeordneten ESG-Kriterien die Liquiditäts- und Investitionsströme in eine neue Fließrichtung gelenkt werden dürften. Aus Umwelt- und Decarbonisierungsgesichtspunkten teilen wir diese politischen Gedankenspiele ganz grundsätzlich, allerdings missfällt uns die wenig durchdachte Umsetzung eines weiteren Regulierungsmonsters und würden uns nicht wundern, wenn Begriffe wie z. B. „Greenwashing“ irgendwann auch mal in der Vorschlagsliste zum Unwort des Jahres auftauchen. Auch wir halten den globalen Klimawandel für eine Bedrohung unseres Planeten und somit der Menschheit, geben aber den Glauben an die Lernkurve des Homo sapiens sapiens noch nicht auf.

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