Trotz aller Konjunktursorgen und der anhaltenden kriegerischen Handlungen in der Ukraine und zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen mit weiterem Eskalationspotential zeigten sich die Börsen im zurückliegenden Quartal in Summe von ihrer robusteren Seite. Die Spekulation auf rasche Zinssenkungen der US-Notenbank und der EZB sorgten per Saldo für eine erhöhte Anlagebereitschaft. Allerdings sind die Bewegungen auf Einzelwertebene auf einem heterogenen Niveau, sodass die reine Indexbetrachtung extrem verzerrt. Wenige Werte (insbesondere aus dem Rüstungsbereich oder mit angeblicher KI-Verbindung) trieben die Märkte nach oben, was ein atypisches Verhaltensmuster für einen Bullenmarkt ist. Auch wenn wir davon überzeugt sind, dass KI weit mehr als ein kurzfristiges Phänomen darstellen wird, werden unweigerlich Erinnerungen an die Zeiten der Internetblase und des Neuen Marktes wach.
Nachdem sich die deutsche Wirtschaft per Definition in einer Rezession befindet und die Prognosen der Regierung, der Wirtschaftsweisen und supranationaler Einrichtungen für den heimischen Standort unverändert auf Kontraktion ausgerichtet sind, lässt die Stimmung in den Handelssälen eine andere Lesart zu. Faktoren hierfür dürften unserer Meinung nach die anstehende Dividendensaison bei europäischen Aktiengesellschaften mit Ausschüttungssummen auf Rekordniveau und die Prognosen der Firmenlenker für die Auftragseingangsentwicklung sowie deren Umwandlung in Unternehmensergebnisse sein. Wer am Ende des Tages recht behalten wird, bleibt abzuwarten. Unsere Analysen ausgewählter Kennzahlen jedenfalls weisen für einzelne Branchen auf eine deutliche Unterbewertung hin und im Idealfall gibt es in den kommenden Quartalen eine gewisse Branchenrotation in Kombination mit einer konjunkturellen Erholung. Zusätzliche Unterstützung erwarten wir in der 2. Jahreshälfte durch eine offensivere Notenbankpolitik, da die Inflationsraten doch erkennbar den Rückwärtsgang eingelegt haben. Deshalb sehen wir in ausgewählten Titeln und Branchen unverändert ein positives Chancen- / Risikoverhältnis.
Neben den Wahlen in den neuen Bundesländern sieht es im Moment so aus, als ob es bei der Wahl zum vermeintlich „mächtigsten Mann der Welt“ zu einer Neuauflage der Wahlen von vor 4 Jahren kommen wird. Wir erwarten einen noch schmutzigeren Wahlkampf um den US-Präsidententitel und eine anhaltende Spaltung der US-Nation.
Historisch betrachtet erfreuten sich die Börsianer eher an einem Wahlsieg des republikanischen Vertreters. Die wirtschaftlichen Erfolge des derzeitigen Amtsinhabers mit dem Inflation Reduction Act sollte allerdings nicht unterschätzt werden und die Saat dieser Maßnahme geht gerade erst auf. Auch sonst hat Joe Biden unserer Meinung nach einiges an zerschlagenem Porzellan seines Amtsvorgängers und Widersachers Donald J. Trump in seiner ersten Legislaturperiode aufgeräumt. Für uns Europäer steht bei dieser Wahl nicht weniger als die Einheit der westlichen Welt und unter bestimmten Bedingungen – sogar vermutlich – weit mehr auf dem Spiel.